Die Hexen in der Mühle zu Wolthausen
In der alten Wassermühle bei Wolthausen, die im Jahre 1904 durch eine Feuersbrunst zerstört wurde, geschah es zu einer Zeit, dass ein Müllergeselle nach dem anderen um das Leben kam. Hatte er das Mühlwerk noch spät bis in die Nacht gehen lassen, wie es manchmal nötig war, so fand man ihn am nächsten Morgen tot und grässlich verstümmelt vor dem alten Mühlstein, der in einer Ecke lag, und niemand wusste, wie es zuging. Das redete sich bald in der ganzen Heide herum, also dass die Mühle in Verruf kam und kein wandernder Müllergesell mehr vorsprach. Nach längerer Zeit kam aber doch wieder ein Müller nach Wolthausen, grüßte das Handwerk und fragte nach Arbeit.
Der Besitzer der Mühle sagte, Arbeit wäre schon da in Hülle und Fülle, aber er könne niemand einstellen, und erzählte dem Gesellen haarklein, was sich in der Mühle zugetragen hatte. Da lachte der Geselle und sagte: "Den Spuk will ick schon verdriewen!" Und weil er ein frischer, kecker Bursche war, dem der helle Mut aus den Augen blitzte, fasste auch der Mühlenbesitzer Zuversicht und behielt ihn.
Vor Mitternacht stellte der Geselle einen großen Kessel auf den alten Mühlstein, tat Wasser und Mehl hinein, zündete ein Feuer an, setzte sich auf einen Schemel und kochte einen Brei. So saß er ruhig da, schmökte seine Pfeife und rührte mit einem Reisigbesen den Brei um, damit er nicht anbrenne. Kaum hatte die Glocke zwölf geschlagen, so kam eine große schwarze Katze mit glühenden Augen zu dem Mühlstein geschlichen, setzte sich an das Feuer und wärmte sich die Pfoten. Der Müller tat, als er sie nicht, saß und rauchte und rührte den Brei. Es dauerte nicht lange, so kam eine zweite Katze, sprang der ersten auf den Kopf und starrte dem Gesellen mit ihren grünen Augen unverwandt ins Gesicht. Der aber kümmerte sich nicht um sie; er saß seelenruhig da, ließ sich seine Pfeife schmecken und rührte mit dem Besen den Brei immer gleichmäßig rundum, rundum. Da ließ sich eine Katze vernehmen: "Lene, wüllt wi nich all anfangen?" "Ach nee, wie wüllt doch leiwer täuwen, bet Liese da is", antwortete die andere.
So war eine Weile alles still, das Feuer loderte, der Geselle schmökte behaglich seine Pfeife und rührte den dampfenden Brei im Kessel. Da kam mit mächtigen Sätzen eine dritte Katze herangesprungen, die war größer als die beiden anderen, sie setzte sich der zweiten auf den Kopf und starrte den Müller lüstern an. Mit einem Male rief sie den beiden anderen zu: "So, Grete un Lene, nu is Tid, nu wüllt wi anfangen! Los!" Damit machte sie Miene, dem Müller ins Gesicht zu springen. Der aber zog blitzschnell den Besen aus dem kochenden Brei und schlug damit kreuz und quer auf die Katzen ein, dass sie fauchend und schreiend auseinander stoben und durch die Fenster entflohen. In den nächsten Tagen sah man, dass Grete, Lene und Liese, drei alte Weiber aus Wolthausen, die man schon immer für Hexen gehalten hatte, mit verbundenem Kopf umhergingen. In der Mühle aber ist es seitdem alles ruhig geblieben.
Quelle: Celler Sagen aus Stadt und Land, Paul Alpers und Georg Breling, Celle 1934
09.04.2005 email: webmaster@wolthausenweb.de